Work Replace 4.0 – Zukunft mit Grundeinkommen?

Work Replace 4.0‚ heißt das Theaterstück, das Annette Müller ab dem 19.07.2019 in Offenburg präsentieren wird. Die Zuschauer*innen  werden dabei persönlich eintauchen in die Arbeits- und Lebenswelt, die uns bevor steht. Einige dieser Entwicklungen geschehen schon heute, anderes mutet noch an wie ferne Science Fiction.

Bild Work Replace 4.0Ein Aspekt ist u.a. auch die Frage, wie unsere Gesellschaft damit umgehen soll, wenn viele heutige Jobs künftig nicht mehr gebraucht werden. Im Stück wird, u.a. auch mit mir (Klaus Schorn als Vertreter der IG-BGO), darüber diskutiert. Das Bedingungslose Grundeinkommen kann unserer Meinung nach die Antwort darauf sein:

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‚Lasst uns träumen! Lasst uns eine Zukunft entwerfen, in der alle ihren Platz haben, in der Zuversicht und Begeisterung das Handeln bestimmen! Lasst uns an das Gute im Menschen glauben!‘

‚OK, das reicht! Ich will keine Räucherstäbchen anzünden und Bäume umarmen! Wir brauchen nüchtern-entschlossenes Handeln, um unseren Wohlstand zu sichern. Es geht um unsere Zukunft, um Wachstum, um Arbeitsplätze, um Sicherheit, nicht um naive Träumerei!‘

Das ist oft der Anfang einer Diskussion, wenn es um das Bedingungslose Grundeinkommen geht. Nun, man kann niemanden zwingen, zu träumen. Aber man kann sich gemeinsam Fakten anschauen. Also fange ich am liebsten damit an.

Was passiert denn grade?
• Unsere Gesellschaft wird immer älter.
• Berufslaufbahnen werden unregelmäßiger und unsicherer.
• Die Schere zwischen arm und reicht geht immer weiter auseinander.
• In der Stadt wird Wohnen zu teuer und der Verkehr ist am Limit, während auf dem Land die Infrastruktur erodiert.
• Es ist zu erwarten, dass im Zuge der Digitalisierung viele einfache Jobs weg fallen werden.

Jeder dieser Aspekte verlangt zunehmend Unterstützungsleistungen aus Steuermitteln. Geringe Löhne werden aufgestockt, Renten werden aufgestockt, Hartz IV wird bezahlt, Wohngeld wird bezahlt, der Nahverkehr wird bezuschusst. Wir haben also schon die Tendenz, dass die Grundsicherung zunehmend vom Staat übernommen wird. Nicht aus sozialistischer Überzeugung, sondern schlicht weil sich die Wirtschaft nicht zuständig fühlt.

Der Markt regelt offensichtlich gar nicht alles! Er interessiert sich nur für Vorgänge, bei denen Geld fließt.
Für die Erziehung der Kinder zum Beispiel, wenn das in einer Kita geschieht. Sonst natürlich nicht.
Für die Pflege der Angehörigen, wenn das durch einen Pflegedienst abgerechnet wird. Sonst natürlich nicht.
Oder für die Entsorgung von Abfällen, wenn jemand damit Geld verdient. Für die Vermeidung von Abfall interessiert sich der Markt natürlich nicht.

Das Ergebnis ist ein Zirkelschluss: ‚Wo kein Geld fließt, ist es nicht ‚richtige Arbeit‘, also ist es nicht wirklich wichtig. Und wo in diesen Bereichen doch Geld bezahlt wird, muss es nicht sehr viel sein. Ist ja keine Schlüsselbranche.‘
Doch das ist ein Irrtum! Etwa zwei Drittel der geleisteten Arbeit in Deutschland wird nicht bezahlt. Was würde unserer Gesellschaft langfristig mehr fehlen? Investmentbanking oder Kindererziehung?

Warum arbeiten Menschen überhaupt? Weil sie dafür eine Belohnung erwarten, z.B. Geld oder Anerkennung oder Lebenssinn. Wir können nicht auf Dauer ohne solche Bestätigung glücklich leben. Wenn ein Mensch sich trotzdem gar nicht engagiert, hat das meistens einen Grund:
Wer völlig erschöpft ist, braucht Erholung.
Wer Angst hat braucht Bestätigung und Zutrauen.
Wer Hilflosigkeit erlernt hat (z.B. lange Hartz 4), braucht eine neue glaubwürdige Perspektive.

Druck hilft in all diesen Fällen nicht weiter. Es braucht eine gewisse Freiheit, um wieder in die Kraft zu kommen.
Klar – jede Freiheit kann auch missbraucht werden. Aber auch totaler Zwang schließt Missbrauch nicht aus. Und ohne Freiheit kann man keine Entscheidungen treffen, nicht wachsen, nicht voran kommen.

Außerdem – funktioniert das Konzept ‚fordern und fördern‘ (Hartz IV) überhaupt noch, wenn es künftig für viele Menschen gar keine passenden Jobs mehr gibt? Wir werden uns möglicherweise überlegen müssen, wie wir die verbliebene Arbeit und die vorhandenen Qualifikationen auf mehr Köpfe verteilen können. Zum Beispiel mit Teilzeitarbeit, Auszeiten für Erziehung und Pflege einerseits und Weiterbildung andererseits.

Jede Veränderung birgt Risiken, das ist die Natur der Sache. Und es stehen große Veränderungen im Raum! Viele Menschen fänden es besser, wenn die Dinge im Großen und Ganzen so blieben wie sie sind. Aber haben wir diese Option? Weder Digitalisierung noch Globalisierung lassen sich aufhalten. Wir können nur schauen, wie wir damit umgehen. Und vielleicht macht es Sinn, parallel dazu nachhaltige, autarke Systeme aufzubauen (Hofgemeinschaften, Solidarvereine, Regionalwährungen…).

Ein Bedingungsloses Grundeinkommen kann da greifen, wo der Markt es nicht tut. Es kann Menschen Wertschätzung geben und Mut machen. Es kann soziales Engagement belohnen. Es kann Menschen die Möglichkeit geben, Neues zu lernen. Vielleicht wird die Umstellung nicht einfach.

Es braucht deshalb nüchtern-entschlossenes Handeln, um unsere Gesellschaft zu stabilisieren. Es geht um unsere Zukunft, um gesellschaftlichen Frieden, um Zusammenarbeit, nicht um naive Träumerei. Und vielleicht entwerfen wir damit dann doch ganz nebenbei die Zukunft, von der ich träume.

Klaus Schorn

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